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Interview mit einer Legende – Folge 2

Im Gespräch mit Michael Hornickel

veröffentlicht am

12. Juni 2025

Datum des Interviews 

September 2024

Beteiligte

Michael Hornickel, Frank Jermann

Interview

Michael Hornickel vor der Kastanie in Berlin

Die ers­te Fol­ge des Inter­views mit Micha­el Hor­ni­ckel fin­det hier sei­ne Fort­set­zung. Wie­der wird die Boule-Legen­de sowohl aus der deut­schen Pétan­que-Sze­ne, als auch aus der fran­zö­si­schen erzählen.

Nie­mand wird es wun­dern, dass Micha­els Vor­bild aus der Pro­vence stammt: Bal­di. Die meis­ten bei uns wer­den des­sen Namen nicht ken­nen, aber: Wer wie der gro­ße Alphon­se Bal­di1 ein Retro auf Ansa­ge schie­ßen konn­te, ist sicher kein schlech­te Wahl als Vor­bild. Auch wenn „Phon­se“ das mit der Vor­her­sa­ge nur zwi­schen sechs und acht Meter locker von der Hand ging …

An das The­ma des zwei­ten Abschnitts erin­ner­te sich Micha­el dage­gen deut­lich weni­ger gern: Es war das (für alle Spie­ler) wenig glor­rei­che Fina­le der Deut­schen Meis­ter­schaft im Tri­plet­te in Ber­lin im Jahr 1987.

Aller­dings geht er sou­ve­rän damit um – was kein Wun­der ist für eine Spie­ler­per­sön­lich­keit wie ihn, die gera­de vor­her den eige­nen Spiel­stil unge­schönt als „unmög­lich“ bezeich­net hat­te. Dass sein Spiel unter man­geln­der Ele­ganz litt, ist aller­dings kaum zu glau­ben, wenn man Fotos von ihm aus den sieb­zi­ger Jah­ren anschaut.

Im drit­ten Abschnitt wird es um ein The­ma gehen, das heu­te aus dem deut­schen Pétan­que fast ver­schwun­den ist: Ciné­ma.2 Wie unter­schied­lich Ciné­ma aus­fal­len kann, wird anhand von drei Spie­lern beschrie­ben: Mar­co Foy­ot, Klaus Mohr und Mon­sieur Blanc. Geht’s jetzt end­lich los?

Zwei­te Fol­ge:
Vor­bil­der, fast noch eine Deut­sche Meis­ter­schaft und übles Cinéma

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Frank: In der ers­ten Fol­ge des Inter­views hast du von dei­ner Kind­heit erzählt und dei­nem ers­ten Kon­takt mit dem Boule­spiel. Wie aber kam es dazu, dass du so inten­siv begon­nen hast zu spie­len? Anre­gun­gen wie Fern­seh­über­tra­gun­gen oder gar Vide­os auf You­tube gab es ja damals nicht.

Micha­el: In Süd­frank­reich war das frü­her so, dass man gar nicht um das Spiel her­um­ge­kom­men ist. Es war omni­prä­sent in jedem Dorf.

Hat­test du ein Vorbild?

Ein Vor­bild? [über­legt] Na, es gibt so ein paar Spie­ler, die man damals gese­hen hat. Die kennt man natür­lich heu­te nicht mehr. Einer hieß Alphon­se Bal­di, ein Tir­eur. Der konn­te ein Retro auf Ankün­di­gung schie­ßen – aber nur so bis sie­ben, acht Meter. Dar­über war es dann schon schwie­ri­ger. Man hat ja frü­her in der Pro­vence die zehn Meter ganz sel­ten aus­ge­reizt. Es wur­de lie­ber zwi­schen sechs und acht Metern gespielt. Da muss­te man auch nicht so weit laufen.

Die Süd­fran­zo­sen waren ja ein biss­chen „feig­nant“, also etwas bequem, man­che sagen gar faul. Und: „La terre est bas­se en Pro­vence.“ Die Erde ist nied­rig in der Pro­vence. Das heißt, es ist in der Pro­vence wei­ter, sich zu bücken als anders­wo. War­um also auf zehn Meter spielen?

Aber zurück zu Bal­di: Der hat­te eine Knei­pe in Tou­lon – und wenn der sich irgend­wo für ein Tur­nier ange­kün­digt hat­te, dann sind die Leu­te alle gekom­men und haben zugeschaut.

Du hast ihn erlebt?

Bal­di habe ich erlebt. Er war ein Crack im Depar­te­ment Var. Das war eine Hoch­burg des Pétan­que-Spiels. Natür­lich gab’s auch Mar­seil­le und Bou­ch­es-du-Rhô­ne, aber Var ist eigent­lich bis heu­te so etwas wie die Hoch­burg des Pétanque.

Ich den­ke auch, dass frü­her – bis in die 80er Jah­re hin­ein – die Leis­tungs­dich­te in der Brei­te viel, viel grö­ßer war als heu­te. Das Spiel war viel wei­ter ver­brei­tet als heu­te. In den 80er Jah­ren gab es in Frank­reich 500.000 Lizenz­spie­ler. Bei 50 Mil­lio­nen Ein­woh­nern bedeu­te­te das, dass jeder hun­derts­te Fran­zo­se eine Lizenz hat­te. Man schätzt, dass damals jeder zehn­te Fran­zo­se Boules im Kof­fer­raum hat­te. Das ist heu­te nicht mehr so.

Ich ken­ne kei­ne aktu­el­len Zah­len, aber es ist ja wie in vie­len Sport­ar­ten: Das geht zurück.

Ich mei­ne mich zu erin­nern, dass es heu­te zir­ka 300.000 Lizen­zen gibt in Frankreich.

Bei inzwi­schen aber knapp 70 Mil­lio­nen Ein­woh­nern. Auf jeden Fall ist es genau­so wie bei uns auf den Dör­fern. Es gibt jetzt nicht mehr in jedem Dorf einen Fuß­ball­ver­ein. Man orga­ni­siert sich in Spiel­ge­mein­schaf­ten, in denen man drei, vier, fünf Dör­fer zusam­men­legt. Frü­her hast du in einem 500-See­len-Dorf zwei Senio­ren­mann­schaf­ten gehabt. Heu­te gar kei­ne mehr.

Zurück zu Dei­nem Vor­bild Bal­di: Ich ver­mu­te, das war kein Schlech­ter. Lebt der noch?

Nein, er wäre jetzt ja 120 oder so.

Tat­säch­lich?

Wen gibt es denn noch? Es gab jeman­den, der ist nicht so bekannt. Den habe ich als klei­ner Bub auf dem Boule­platz in der Nähe unse­res Caba­nons in Le Pra­det gese­hen. Er hat für sich Schieß­übun­gen gemacht. Das hat er mit so einer Inbrunst und Saf­tig­keit und Har­mo­nie gemacht – es war ein Genuss zuzu­se­hen, wie der mühe­los und locker die Kugeln mit einer ganz flie­ßen­den Bewe­gung weg geschos­sen hat.

Ich habe es nie geschafft, mir das so anzu­eig­nen. Mein Stil ist unmög­lich. Aber man kann auch mit einem unmög­li­chen Stil Erfolg haben.

Ich habe dich das ers­te Mal bewusst 1987 auf der Tri­plet­te-Meis­ter­schaft in Ber­lin erlebt, soweit ich mich erin­ne­re. Natür­lich wuss­te ich, dass es dich gibt, weil dein Buch, das ich als Novi­ze ver­schlun­gen hat­te, zu dem Zeit­punkt bereits lan­ge ver­öf­fent­licht war. Und dann stand da Micha­el Hor­ni­ckel wie­der ein­mal in einem End­spiel auf dem Platz. Gut geklei­det übri­gens. Ein Grand Sei­gneur, der auf­ge­fal­len ist. Du hast immer etwas vor dir her­ge­tra­gen, das etwas – kann ich das so sagen? – Distin­gu­ier­tes hat­te. Wie hast du dich selbst wahr­ge­nom­men auf die­sem Tur­nier, vor dem damals wirk­lich gro­ßem Publi­kum einer der letz­ten offe­nen Deut­schen Meisterschaften?

Ja, also mein Auf­tre­ten hat nichts Insze­nier­tes. Ich zie­he mich halt so an, wie ich mich immer anzie­he. Ich habe kei­ne Sport­klei­dung getra­gen. Das haben die in Frank­reich auf dem Boule­platz ja auch nicht. Ganz frü­her haben die sonn­tags auf dem Dorf­platz im Sonn­tags­an­zug gespielt.

Wir haben ja damals kei­ne Tri­kots oder so etwas gehabt, um die Mann­schaf­ten zu unter­schei­den. Gott sei Dank! Aber das ist viel­leicht Geschmacks­sa­che. Ich habe mich kor­rekt geklei­det, wür­de ich sagen. Das fiel viel­leicht gegen­über ande­ren auf, aber es war nichts Inszeniertes.

Ist es dir damals auf­ge­fal­len, dass du doch etwas kor­rek­ter geklei­det warst?

Nein, eigent­lich nicht. Ich wun­de­re mich, dass du das sagst. [Denkt kurz nach] Obwohl, das haben mir ja schon mal ande­re gesagt. Du bist nicht der Ers­te. [lacht]

Ich erin­ne­re mich an das End­spiel und vor allem dar­an: Da hat nicht alles geklappt.

Oh, das war das schlech­tes­te End­spiel aller Zei­ten, glau­be ich. Ich habe natür­lich nicht alle gese­hen, aber es war sooo schlecht.

Wor­an lag das?

Wir hat­ten das Ter­rain gewech­selt. An die­ser Stel­le auf dem gro­ßen Platz hat­ten wir vor­her noch nicht gespielt und irgend­wie war die­ser Boden wie Gum­mi. Also es war sehr schwer, da gescheit zu legen. Das sah dann schon wirk­lich unbe­hol­fen aus. Wir hat­ten kei­nen Bezug zu die­sem Boden bekommen.

Es war nicht so, dass mei­ne Mann­schaft schlech­ter gespielt hat­te als die ande­ren. Alle haben schlecht gespielt. Es war grau­sam. Ich möch­te mich gar nicht dar­an erin­nern. Das war eines mei­ner letz­ten Tur­nie­re. Das habe ich eigent­lich auch nur gespielt, weil es in Ber­lin war, wo ich stu­diert hat­te. Des­halb bin ich extra ange­reist. Ich hat­te die Jah­re davor nicht gespielt und die Jah­re danach auch kaum.

Bist du aus Frank­reich angereist?

Nein, aus der Pfalz. Ich bin 1987 in die Pfalz gezogen.

Dei­ne Part­ner waren Mar­tin Teu­fel, der vor­ge­legt hat und Chris­ti­an Hem­pel als Tir­eur, damals ganz jung.

Ja, ich habe Milieu gespielt. Chris­ti­an haben wir als 14‑, 15-Jäh­ri­gen auf­ge­le­sen im Hin­ter­hof in Kreuz­berg. Wir haben gedacht, bevor der Dumm­hei­ten macht, las­sen wir den mal mit­spie­len. [lacht]

Ich fra­ge jetzt nicht, ob er Dumm­hei­ten hät­te machen können.

Naja, Kreuz­ber­ger Kiez – weiß nicht. Auf jeden Fall ist er dann dabei geblie­ben, der Chris­ti­an. Ich glau­be, Mar­tin Teu­fel hat dann noch län­ger mit ihm zusam­men gespielt.

Ich habe mit Chris­ti­an mal den gro­ßen Preis von Frank­furt gespielt. Das muss auch so in die­sen Jah­ren gewe­sen sein. Es war sein ers­tes Tur­nier, das er gewon­nen hat. Hes­si­scher Meister!

Orga­ni­siert wur­de das Frank­fur­ter Tur­nier damals von Uli Koch.

Ja, das war Uli Koch, den ich aus den Augen ver­lo­ren habe. Er war ein inter­es­san­ter Typ. Das war in der berühm­ten Franz-Rück­er-Allee. Ich weiß nicht, ob es den Gro­ßen Preis von Frank­furt heu­te noch gibt. Das war damals eines der gro­ßen Turniere.

Und die­ses gro­ße Tur­nier hat der jun­ge Chris­ti­an Hem­pel dann zusam­men mit Dir gewon­nen! Ich neh­me an, du hast gelegt, er hat geschossen?

Ja, wir haben ihn zum Tir­eur aufgebaut.

Und was für einen! Bei der Deut­schen Meis­ter­schaft 1987 hast du Milieu gespielt. Was war dei­ne Lieblingsposition?

Die ers­ten Jah­re habe ich natür­lich geschos­sen, denn da gab es ja sonst nie­man­den, der das konnte.

Du meinst: in Deutschland.

Ja, in Deutsch­land. Irgend­wann gab es dann wel­che, die bes­ser waren als ich. Dann habe ich halt Milieu gespielt oder auch vor­ge­legt. Aber das war zu Zei­ten, in denen ich nicht mehr so aktiv gespielt habe.

Nach dem Jahr 1987 hast du dann weit­ge­hend auf­ge­hört zu spielen.

Ich habe 87 in der Pfalz in einem Ver­lag ange­fan­gen zu arbei­ten. In der Pfalz gab es kein Boule. Also war das kein The­ma. Man konn­te nir­gend­wo spie­len, obwohl das rela­tiv nah zu Frank­reich ist.

Spä­ter, Anfang der 90er, habe ich mal ein paar Leu­te beim Spie­len ent­deckt, habe mich aber da nicht wei­ter drum bemüht. Es gab ande­re Prio­ri­tä­ten: Ich hat­te Kin­der bekom­men und war eini­ge Jah­re allein­er­zie­hen­der Vater. Beruf­lich ging es auch voran.

Klar, das Boule­spiel habe ich immer im Hin­ter­kopf gehabt. Ich habe ja auch ab und zu mal eine Meis­ter­schaft mit­ge­spielt, aber ohne im Trai­ning gewe­sen zu sein. Ich habe aller­dings auch sonst nie trai­niert. Auch vie­le Boule-Cracks in Frank­reich erzähl­ten mir, dass sie nie trai­niert hät­ten. Die spie­len aber jeden Tag. Das ist ja dann auch Training.

Wenn ich dann doch mal ein Tur­nier gespielt habe, war das meist schlecht und mit wenig Erfolg. Das war frus­trie­rend. Wenn es sich erge­ben hat, habe ich schon mit ein paar Guten gespielt. Aller­dings war ich in der Sze­ne gar nicht mehr drin.

Aber was weiß ich. Ein Nor­man Mau­rer war ja auch mal so zwei, drei Jah­re lang top in Deutsch­land. Den habe ich beim Gro­ßen Preis von Frank­furt getrof­fen. Er war auch einer von denen, der die Leu­te zum Part­ner nimmt, gegen die er ver­lo­ren hat. So haben wir ein paar Tur­nie­re zusam­men gespielt – sehr erfolg­reich, weil er wirk­lich sehr gut war. Der hat mich da durch geschleppt. Wir sind mal nach Kon­stanz gefah­ren, mal nach Saar­lou­is. Ich weiß nicht mehr so genau, aber wir haben vier, fünf Tur­nie­re gespielt.

Du hast also immer wie­der mal in die Boule­sze­ne rein­ge­schnup­pert. Kannst du aus heu­ti­ger Sicht Ver­än­de­run­gen fest­stel­len, die augen­fäl­lig sind?

Das Ori­gi­nal-Pétan­que in der Pro­vence unter­schei­det sich schon wesent­lich von dem, was heu­te gemacht wird. Es war, wie gesagt, eine sozia­le Kom­po­nen­te des Dorf­le­bens. Das Spiel war aber auch anders. Man hat­te kei­nen Zeit­druck. Jede Kugel hat­te eine Bedeutung.

Die Tat­sa­che, dass man sich sei­nen Auf­satz­punkt prä­pa­rie­ren konn­te, fand ich eine ganz span­nen­de Kom­po­nen­te des Spiels. Man konn­te da ein Stein­chen weg­ma­chen, man konn­te auch mal die Kugel drauf wer­fen und gucken, wie der Boden reagiert. Das ist heu­te natür­lich verboten.

Was noch ganz anders war – etwas, das so ein biss­chen am Ran­de des Regel­werks ist – ist das „Ciné­ma“. Also das, was die Fran­zo­sen beim Pétan­que Ciné­ma nen­nen, also Kino. Das ist das Reden, das Witz­chen machen oder den Geg­ner ein biss­chen auf­zie­hen, ver­un­si­chern oder ablenken.

Man­che Boule­spie­le frü­her in der Pro­vence waren wie eine Thea­ter­auf­füh­rung. Da konn­te man stun­den­lang zugu­cken. Es war unter­halt­sam. Auch wenn es viel län­ger gedau­ert hat als heu­te. Aber es war oft auch wit­zig. Und man konn­te rich­tig spü­ren, wie jetzt bei dem einen etwas abkippt, weil er sich genervt fühl­te oder sonst was. Es war wirk­lich schön.

Das gibt es heu­te gar nicht mehr – und es ist ja auch nicht erlaubt. Man spielt heu­te unter Zeit­druck. Man darf sich mit dem Boden nicht mehr rich­tig beschäf­ti­gen und man darf nichts reden. Man muss sich seit­lich hin­ters Schwein­chen stel­len, dass man nicht gese­hen wird vom Geg­ner. Das ist auch ok, aber es ist nicht mehr so gemütlich.

Es gab in Deutsch­land ja Leu­te, die zumin­dest ein biss­chen Ciné­ma gemacht haben. Einer davon war Klaus Mohr, mit dem du auch gespielt hast. In die­sem Rah­men haben wir uns auch ein­mal auf dem Platz getrof­fen. Du kannst dich ver­mut­lich nicht erin­nern, weil es kei­ne tol­le Par­tie war. Es war im nörd­li­chen Baden oder im Saar­land. Wir haben auf einer deut­schen Meis­ter­schaft am Abend des ers­ten Tages bei Dun­kel­heit und Regen gegen­ein­an­der gespielt. Kannst du etwas erzäh­len zu der Geschich­te, dass du mit Klaus Mohr gespielt hast?

Das war in der Zeit, in der ich mich eigent­lich vom Boule­spie­len ver­ab­schie­det und dann auch schon Jah­re nicht mehr gespielt hat­te. Natür­lich hat­te ich im Som­mer mal irgend­wo eine Kugel gewor­fen, aber ohne Regel­mä­ßig­keit. In der Pfalz gab es die Mög­lich­keit ein­fach nicht. Auch beruf­lich ging das nicht.

Ich weiß jetzt nicht mehr, wie das mit Klaus Mohr zustan­de kam – aber irgend­wie woll­te ich dann doch mal wie­der spie­len. Da habe ich mir dann gedacht: War­um nicht mit einem Guten? Aber das hat nicht funk­tio­niert mit uns bei­den. Ich war zu schlecht. So gut konn­te auch ein Klaus Mohr nicht sein, um mich durchzuschleppen.

In der Par­tie war er nicht gut, das kann ich zu dei­ner Ehren­ret­tung sagen. Dar­an erin­ne­re ich mich auf jeden Fall. Gut gespielt hat mein dama­li­ger Part­ner: Rein­hart Mül­ler aus Alto­na, der mich durch­ge­schleppt hat.

Ich war wahr­schein­lich auch nicht gut. Ich habe schlecht gespielt mit Klaus Mohr und wür­de es auch nicht wie­der tun. Ich habe mir eigent­lich mein gan­zes Boule-Leben lang die Part­ner nach Sym­pa­thie aus­ge­sucht und nicht nach sport­li­cher Leis­tung. Ich woll­te mit Leu­ten spie­len, mit denen ich auch sonst ger­ne Zeit ver­brin­ge. Ich habe nicht auf irgend­wel­che Ergeb­nis­se geguckt oder auf deren Pal­marès, also was die schon alles gewon­nen haben.

Ich bin auf Klaus Mohr gekom­men – den ich eigent­lich gar nicht hät­te erwäh­nen wol­len – wegen des Ciné­ma. Klaus ist einer der weni­gen in Deutsch­land, die auf Boule­plät­zen so was wie Ciné­ma machen konn­ten. Nicht, dass er es immer gemacht hat, aber er konn­te einen Geg­ner durch­aus aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen und hat das doch oft mit viel Charme, aber nicht immer zur Freu­de aller gemacht.

Ist halt grenzwertig.

Ich fin­de es eigent­lich ganz schön, wenn man Grö­ßen sieht wie Jean-Marc Foy­ot, der heu­te immer noch spielt und auf der Mar­seil­lai­se fast jedes Jahr über­tra­gen wird – sicher auch wegen sei­nes unter­halt­sa­men Ciné­ma. Er macht Spaß – und das macht Spaß.

Ja, er ist ja auch die alte Schu­le. Er kann Ciné­ma. Macht auch Lau­ne dabei zuzu­gu­cken, wenn er einen Spruch loslässt.

Das pas­siert in jedem Spiel, das ich von ihm sehe. Wenn da Mar­co Foy­ot steht, dann freue ich mich.

Ja, Ciné­ma – ich habe es auch mal nega­tiv erlebt. Das war auf einem Ver­bands­tur­nier, Vier­tel­fi­na­le. Wir haben gegen einen fran­zö­si­schen Meis­ter gespielt. Er hieß Blanc. Blanc wie „weiß“, wie Frei­los. Ich habe mal nach­ge­guckt. Der war tat­säch­lich mal fran­zö­si­scher Meister.

Dou­blet­te, es steht elf zu acht für uns. Wir waren ein­fach zu gut für die. Wir haben kei­ne Löcher geschos­sen. Kein ein­zi­ges, was übri­gens manch­mal auch nicht reicht.

Dann stell­te sich Mon­sieur Blanc dahin und fing an über Adolf Hit­ler zu reden. Mit die­sem Ciné­ma hat er mich in der Tat aus dem Kon­zept gebracht.

Wir hat­ten zwar die Auf­nah­me gewon­nen, aber in der nächs­ten lege ich die ers­te Kugel irgend­wo hin. Dage­gen gewinnt der Geg­ner fünf­mal den Punkt. Wir schie­ßen fünf­mal weg.

Wir haben 13 auf dem Boden, Blanc hat die letz­te Kugel. Mit Legen kann er es ver­hin­dern, dass er ver­liert. Unse­re Kugeln lie­gen nicht zwin­gend – sei­ne alle ganz hin­ten. Da kommt er auf die Idee, das Schwein­chen zu schie­ßen. Wenn er das nicht trifft, ver­liert er. Wenn er trifft und das Schwein­chen geht nach hin­ten und nicht ins Aus, hat er fünf Punk­te und 13. Er hat es getroffen.

Das ärgert mich heu­te noch, weil die­ses Ciné­ma mit Reden über Adolf Hit­ler – das fand ich dann schon sehr dane­ben. Ich habe ihm auch nicht die Hand gege­ben. Das war zum ers­ten und ein­zi­gen Mal in mei­nem Leben, dass ich einem Geg­ner nicht die Hand gege­ben habe.

Gab es Schiedsrichter?

Das war ein Ver­bands­tur­nier, da lief schon einer rum, aber was soll der sich da ein­mi­schen? Ich kann nicht zum Schieds­rich­ter gehen und sagen, da redet einer über Adolf Hitler.

Stimmt, das ist eine schwie­ri­ge Situation.

Ja, das muss­te ich über mich erge­hen las­sen. Ärgert mich heu­te noch.


Michael Hornickel, 2024

Die drit­te Fol­ge des Inter­views wird vor­aus­sicht­lich im Juli 2025 ver­öf­fent­licht werden.


  1. Alphon­se Bal­di war fran­zö­si­scher Tri­plet­te-Meis­ter im Jahr 1951. Nach ihm wur­de ein Bou­lo­dro­me in Tou­lon benannt. †1986. 
  2. ciné­ma (fai­re du): etwa „Thea­ter spie­len“; mit viel Getue und Ges­ten spie­len (auch: fai­re le cir­que); Die Erklä­rung stammt aus Micha­els Buch „Jeux de Boules – Pétan­que und ande­re Kugel­spie­le“, Ver­lag Klaus Guhl, 1980, 120 Sei­ten. 
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