Editorials

meinungsstark ⋅ persönlich ⋅ pointiert

Vergebene Chancen der digitalen Öffentlichkeitsarbeit

Analoge Therapie

Datum

15. Januar 2025

Autor

Frank J.

Franks Pétanque: Editor

Das bun­des­deut­sche Pétan­que steht im Licht einer brei­ten Öffent­lich­keit. Pri­va­te Sport­ka­nä­le über­tra­gen immer wie­der von inter­na­tio­nal besetz­ten Tur­nie­ren. Auch die öffent­lich-recht­li­chen Sen­der haben den Reiz unse­rer Sport­art ent­deckt: Das Dou­blet­te-End­spiel aus Tra­ve­mün­de wird vor beein­dru­cken­der Kulis­se um 21 Uhr als Flut­licht­spiel live vom NDR-Fern­se­hen gezeigt. Eine tol­le Visi­on – die ich sehr wahr­schein­lich nicht mehr in der Rea­li­tät erle­ben wer­de. War­um ist das so?

Es gibt sie heu­te nicht mehr, die gedruck­ten Pétan­que-Maga­zi­ne. Für Spieler­Innen, die den Boules noch nicht so lan­ge ver­fal­len sind, mag es kaum vor­stell­bar sein, dass vor vie­len Jah­ren gleich drei deutsch­spra­chi­ge gedruck­te Pétan­que-Maga­zi­ne auf dem Markt waren. Gleich­zei­tig! Das waren: Boule, au fer und Pétan­que Inter­na­tio­nal, die pro Jahr jeweils um die zehn Aus­ga­ben pro­du­zier­ten. Dazu gab’s Vor­läu­fer, Able­ger, wech­seln­de Her­aus­ge­ber, Feind­schaf­ten – kurz: es waren wil­de Zei­ten mit vie­len Infor­ma­tio­nen, Berich­ten und wei­te­ren Inhalten.

Franks Pétanque: Ausgabe 1/2025

Ich weiß von man­chen Boulis­tIn­nen, dass sie damals alle ver­füg­ba­ren Maga­zi­ne abon­niert hat­ten. Auch ich fie­ber­te oft der nächs­ten Aus­ga­be ent­ge­gen – nicht nur „mei­nem“ Pétan­que Inter­na­tio­nal, für das ich in den 1990er Jah­ren ab und zu Arti­kel geschrie­ben habe. Auf Tur­nie­ren erstand ich an den Ver­kaufs­stän­den immer mal wie­der die Zeit­schrif­ten der Kon­kur­renz. Es war ein­fach inter­es­sant zu lesen, wel­che Inhal­te die unter­schied­li­chen Blät­ter über die unum­gäng­li­chen Tur­nier­be­rich­te hin­aus anboten.

Die­se Maga­zi­ne stell­ten das Rück­grat der Infor­ma­tio­nen über Pétan­que in Deutsch­land dar. Wer damals etwas über unse­ren Sport erfah­ren woll­te, konn­te das mit­tels die­ser Fach­zeit­schrif­ten. Infor­ma­tio­nen aus dem Bun­des­ver­band DPV waren dage­gen spär­lich. Einen eige­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nal hat­te der Ver­band nicht.

Zwar schick­te er man­che Infor­ma­tio­nen an die Redak­tio­nen der Fach­ma­ga­zi­ne, die dafür dank­bar waren und sie selbst­ver­ständ­lich druck­ten. Es kam aber auch vor, dass der DPV eine der Publi­ka­tio­nen abstraf­te, weil ihm man­che Arti­kel nicht pass­ten. Dass damit ein Teil der lesen­den Boule-Gemein­de von den Infor­ma­tio­nen abge­schnit­ten war, fand der Bun­des­ver­band weni­ger bedenk­lich als kri­ti­sche Bericht­erstat­tung in einer frei­en Presse.

Viel­leicht fra­gen sich heu­te jün­ge­re Jahr­gän­ge, war­um der DPV die Infor­ma­tio­nen damals nicht ein­fach online stell­te. Nun, das Inter­net war Mit­te der 1990er Jah­re gera­de in den Kin­der­schu­hen und tat­säch­lich Neu­land1.

Die Zeitschrift Boule vom 24. Juli 1993 (Juli/August, 6 DM)

Boule (Juli 1993)

Die Zeitschrift au fer vom 17. September 1996 (Doppelausgabe 8-9, 10 DM)

au fer (Sep­tem­ber 1996)

Die Zeitschrift Pétanque International aus dem Juni 1994 (8 DM)

Pétan­que Inter­na­tio­nal (Juni 1996)

Ver­än­der­te Bedingungen

Die Ver­sor­gung mit Infor­ma­tio­nen über Pétan­que mit­tels Zeit­schrif­ten war in den 1990er Jah­ren ohne Zwei­fel sehr auf­wän­dig, wenn man ihn mit den digi­ta­len Online-Medi­en der heu­ti­gen Zeit ver­gleicht. Das galt für alle Betei­lig­ten: Um Abon­ne­ments ver­kau­fen zu kön­nen, muss­ten die Her­aus­ge­ber zuver­läs­sig fast jeden Monat2 ihre Zeit­schrift pro­du­zie­ren (was nicht immer gelang). Wer als Lese­rIn kein Abon­ne­ment abschlie­ßen woll­te (und die begehr­te Ware nicht per Post bezog), war auf die Ver­kaufs­stän­de bei Tur­nie­ren angewiesen.

Nicht zuletzt kos­te­ten die­se Maga­zi­ne etwas, und nicht in jedem Fall wur­de der Kauf­preis als ange­mes­se­ne Unter­stüt­zung für die geleis­te­te Pio­nier­ar­beit ver­stan­den. So wur­de ger­ne in frem­den Hef­ten mit­ge­le­sen, anstatt ein paar Mark für die Macher auszugeben.

Irgend­wann war dann die letz­te gedruck­te Fach­pu­bli­ka­ti­on ver­schwun­den. Ob es das Inter­net war, das nach dem Jahr­tau­send­wech­sel immer prä­sen­ter wur­de, ob sich Ermü­dungs­er­schei­nun­gen bei den Her­aus­ge­bern ein­stell­ten oder sich das Geschäft schlicht nicht mehr rech­ne­te – ich weiß es nicht. Mein Leben hat­te sich durch mei­nen Beruf in eine ande­re Rich­tung ent­wi­ckelt. Ich ver­folg­te die Sze­ne zu dem Zeit­punkt nicht mehr, als die Pétan­que-Maga­zi­ne verschwanden.

Zu ver­mu­ten ist, dass den ver­gleichs­wei­se gerin­gen Auf­la­gen der Maga­zi­ne ein hoher Auf­wand gegen­über stand. Aus kom­mer­zi­el­ler Sicht war das mög­li­cher­wei­se kein gesun­des Ver­hält­nis. Die Hoff­nung, dass es finan­zi­ell schon irgend­wie klap­pen könn­te – und vor allem eine gehö­ri­ge Por­ti­on Enthu­si­as­mus – dürf­te alle Her­aus­ge­ber, Redak­teu­re und Autoren lan­ge Zeit getrie­ben haben. Es wäre inter­es­sant, heu­te bei den dama­li­gen Ver­ant­wort­li­chen nach­zu­fra­gen, was genau der Grund des Ver­schwin­dens der gedruck­ten Maga­zi­ne war.

Ver­flo­ge­ner Charme

Eine kur­ze Zeit lang exis­tier­te zumin­dest von Pétan­que Inter­na­tio­nal ein Web­auf­tritt. Für die Her­aus­ge­ber der selbst­ver­ständ­lich nicht kos­ten­lo­sen ana­lo­gen Maga­zi­ne war der Reiz, Inhal­te online zu prä­sen­tie­ren aller­dings gering. So etwas wie Bezahl­schran­ken gab’s damals noch nicht. Was konn­te man also digi­tal ver­füg­bar machen, ohne die finan­zi­el­le Basis des ana­lo­gen Medi­ums zu gefähr­den? Gera­de mal das Cover und das Inhalts­ver­zeich­nis der gedruck­ten Maga­zi­ne als Wer­bung und Kauf­an­reiz für die Papierversion!

Kei­nes der papier­nen Maga­zi­ne hat­te es folg­lich geschafft, sei­ne ana­lo­ge Exis­tenz ins Digi­ta­le hin­über­zu­ret­ten. Trotz­dem ent­stand Neu­es im digi­ta­len Umfeld, bei­spiels­wei­se Inter­net-Foren. Doch der Charme der Papier­zeit war verflogen.

Der Charme von damals: Pétanque Internationals Website aus dem September 2003

Web­site von Pétan­que Inter­na­tio­nal (Sep­tem­ber 2003)

Wor­in lag aber die­ser Charme? Zum einen an den Inhal­ten: Die gedruck­ten Maga­zi­ne berich­te­ten neben Ergeb­nis­sen und Tur­nier­be­rich­ten – auch aus dem Aus­land – eben­falls über Kul­tu­rel­les rund ums The­ma. Kurz­ge­schich­ten und Glos­sen übers Pétan­que wur­den gedruckt. Lite­ra­tur- und Trai­nings­tipps erwei­ter­ten den Horizont.

Die Beschäf­ti­gung mit unse­rem Sport war in den gedruck­ten Maga­zi­nen weit­aus brei­ter und inten­si­ver, als das spä­ter in der Online-Ära je zu fin­den sein soll­te. Die neue digi­ta­le Tech­nik, die unser Leben ja berei­chern soll­te, hat­te in der Pétan­que-Welt den Papier­aus­ga­ben wenig ent­ge­gen­zu­set­zen. Das hät­te man anders ver­mu­ten kön­nen, oder?

Ein Vier­tel­jahr­hun­dert später

Trotz der unend­li­chen Wei­ten des Inter­nets gibt es im bun­des­deut­schen Pétan­que heu­te kei­ne digi­ta­len For­ma­te, die den dama­li­gen ana­lo­gen Maga­zi­nen auch nur ansatz­wei­se das Was­ser rei­chen könn­ten. Die Schwer­punk­te der heu­ti­gen Online-Ange­bo­te lie­gen weit­ge­hend auf Ter­min­an­kün­di­gun­gen, Ergeb­nis­sen und meist kur­zen Tur­nier­be­rich­ten. Kri­ti­sche Beschäf­ti­gung mit der Ver­bands­ar­beit ist fast so rar wie drei auf­ein­an­der fol­gen­de Car­reaux sur place in der vier­ten Hes­sen­li­ga. Arti­kel zum The­ma Regel­werk sind noch sel­te­ne­rer anzu­tref­fen (und dabei wäre das wirk­lich drin­gend not­wen­dig!). Hin­sicht­lich boule-kul­tu­rel­ler Bei­trä­ge herrscht Alarm­stu­fe rot.

Was sind nun die digi­ta­len Platt­for­men, die zu erwäh­nen es heu­te Grund gibt? An ers­ter Stel­le ste­hen die­se bei­den Online-Auftritte:

Hoch im Nor­den: ptank.de3
Ulli Brülls bedient mit sei­ner regel­mä­ßig gepfleg­ten Web­site vor­wie­gend regio­na­le The­men in und um Nie­der­sach­sen. Für Besu­cher aus ande­ren Regio­nen inter­es­sant: Er the­ma­ti­siert immer wie­der das Par­al­lel­uni­ver­sum, in dem unser Bun­des­ver­band wirkt.

Wer die Web­site kennt, weiß: Hier fin­det man meist kei­ne Lob­hu­de­lei­en, son­dern Hin­wei­se auf Miss­stän­de, die wich­tig sind. Ullis scharf­zün­gi­ger Schreib­stil ist zudem lesens­wert – und als ehe­ma­li­ges Mit­glied „im erwei­ter­ten Kreis des DPV Prä­si­di­ums“4 hat er wohl einen guten Ein­blick in die Arbeit des Bundesverbands.

Wie wich­tig es ist, das Trei­ben der Ver­bän­de zu ver­fol­gen und Öffent­lich­keit her­zu­stel­len, zeig­te Ulli Brülls mit sei­ner Arbeit zum von man­chen als Skan­dal bezeich­ne­ten Gemau­schel um den Bun­des­li­ga­auf­stieg 2024.

ptank.de – die Website aus dem Norden von Ulli Brülls

ptank.de

Tief im Süden: qlaq.de5
Für das baye­ri­sche Pen­dant zu ptank.de zeich­nen Roland Net­ter und Anton Krä­mer ver­ant­wort­lich. Auch hier wird vor allem die Regi­on bedient – aber eben auch die Funk­tio­närs­ebe­ne poin­tiert und mit Wort­witz beob­ach­tet. Da die baye­ri­sche Kom­po­nen­te im Bun­des­ver­band recht stark aus­ge­prägt ist, sitzt qlaq.de in der rich­ti­gen Regi­on, um den einen oder ande­ren Blick hin­ter die Kulis­sen des DPV zu werfen.

Die schlech­te Nach­richt: qlaq.de ruht seit dem Som­mer 2024 und wird in der bekann­ten Form auch nicht mehr wei­ter­ge­führt wer­den, wie es im Janu­ar 2025 aus der Redak­ti­ons­stu­be in Neu­burg verlautete.

qlaq.de – die Website aus dem Süden (mittlerweile nicht mehr weitergeführt)

qlaq.de

Irgend­wo dazwi­schen
Das gera­de erwähn­te The­ma Bun­des­li­ga-Auf­stieg eig­net sich gut, um auf Hein Fuhr­manns boule4you.de6 sowie Jan­nik Scha­a­kes petanque-aktuell.de7 hin­zu­wei­sen. Auf bei­den Platt­for­men gab es eben­falls ein wenig Bericht­erstat­tung dazu, die aller­dings weder den Umfang noch die Qua­li­tät von ptank.de erreichte.

Hier offen­bart sich ein Man­ko: Ob eine ernst­haft-kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Bun­des­ver­band zu erwar­ten ist, wenn Eigen­in­ter­es­sen der Betei­lig­ten bestehen, darf bezwei­felt wer­den – und die Betrei­ber der bei­den Platt­for­men haben per­sön­li­che Befindlichkeiten.

Hein Fuhr­mann wur­de vom DPV geschasst,8 es gab einen kur­zen Rosen­krieg, in dem Hein kräf­tig gegen den DPV aus­teil­te.9 Spä­ter wur­den Miss­stän­de im DPV von ihm weit mode­ra­ter for­mu­liert als in sei­nem offe­nen Brief.

Hein bemüh­te sich nach dem Ende sei­ner Mit­ar­beit beim DPV immer wie­der dar­um, von DPV-Tur­nie­ren strea­men zu dür­fen, was der Ver­band ihm regel­mä­ßig mit meist wenig net­ten Wor­ten unter­sag­te.10

Bewun­derns­wer­ter­wei­se ver­sucht Hein es immer wie­der – und dabei wer­den ihm deut­li­che Stel­lung­nah­men zu Män­geln im DPV (wie bei­spiels­wei­se im Fall des ver­mas­sel­ten Bun­des­li­ga­auf­stiegs) eher nicht hel­fen, beim Ver­band Wohl­wol­len zu erzeugen.

boule4you.de – die Website von Hein Fuhrmann

boule4you.de

Pétanque aktuell – die Website von Jannik Schaake und Team

petanque-aktuell.de

Und Pétan­que aktu­ell? Nun, wenn in Jan­nik Scha­a­kes Team zwei Spie­ler aktu­ell im DPV-Kader sind (und ver­mut­lich wei­te­re mit dahin­ge­hen­den Ambi­tio­nen), dann erklärt das die Arti­kel, die in Sachen DPV deut­lich vor­sich­tig for­mu­liert sind. Ich kann’s ihnen nicht mal ver­den­ken. Die Schwer­punk­te und Stär­ken von Pétan­que aktu­ell lie­gen folg­lich im Bereich von Tur­nie­ren (Kalen­der und Berichte).

Dar­über hin­aus?
Was sonst noch zu unse­rem The­ma zu fin­den ist, sind ledig­lich Nischen ohne den Anspruch, die Kraft oder den Mut, sich ernst­haft mit dem Zustand des bun­des­deut­schen Pétan­ques aus­ein­an­der­zu­set­zen. Wer zum drei­zehn­ten mal die Fehl­in­for­ma­ti­on lesen will, dass Pétan­que in die deut­sche Spra­che über­setzt „geschlos­se­ne Füße“ bedeu­tet, die oder der wird in die­sen Nischen fün­dig wer­den. Da Ver­eins­sei­ten nicht im Fokus die­ses Arti­kels ste­hen, war es das dann schon.

Lap­sus

Beim Schrei­ben die­ses Edi­to­ri­als ist mir min­des­tens ein Ver­säum­nis unter­lau­fen: Ich habe ver­ges­sen, die Web­site Boule in Braun­schweig zu erwäh­nen.11 Der Autor Thors­ten Dod­zuhn setzt sich zwar nicht mit der bun­des­deut­schen Pétan­que-Sze­ne aus­ein­an­der, die ja den Schwer­punkt mei­nes Arti­kels dar­stellt. Sei­ne Arbeit ent­hält jedoch lesens­wer­te kul­tu­rel­le Bei­trä­ge und nicht zuletzt das beein­dru­cken­de Boule-Lexikon.

Es gibt kein zurück

Natür­lich erreicht uns heut­zu­ta­ge eine Mel­dung auf digi­ta­lem Weg schnel­ler als in Zei­ten der ana­lo­gen Bericht­erstat­tung. Wer wür­de im Jahr 2025 ger­ne einen Monat bis zur nächs­ten Aus­ga­be eines gedruck­ten Maga­zins war­ten, wenn der DPV dann doch mal irgend­ein dün­nes State­ment zu irgend­was abgibt?

Dazu kommt: Wer lie­ße sich auf das Aben­teu­er ein, in unse­ren Zei­ten noch­mal ein gedruck­tes Qua­li­täts-Medi­um jen­seits der Tur­nier­er­geb­nis­se her­aus­zu­ge­ben? Das dürf­te sich nie­mand antun. Spricht man mit Ver­la­gen, die Bücher pro­du­zie­ren, dann ist die Ziel­grup­pe zum The­ma Pétan­que zu klein, um ein Buch­pro­jekt ohne schlaf­lo­se Näch­te finan­zie­ren zu kön­nen. Die Gefahr der Selbst­aus­beu­tung wäre zu groß.

Im Zeit­schrif­ten­be­reich, der weit mehr von Aktua­li­tät und Ter­min­druck geprägt ist als der Buch­markt, wäre heu­te ein ana­lo­ges Pro­jekt aus finan­zi­el­ler Sicht zum Schei­tern ver­ur­teilt. Wer wäre in unse­rer Welt einer weit ver­brei­te­ten Gra­tis-Men­ta­li­tät bereit, jeden Monat ein paar Euro für ein Pétan­que-Maga­zin zu bezah­len? Ich tip­pe auf 42 zah­len­de Leser­Innen. Bundesweit.

Nein, die ana­lo­gen Zei­ten sind unwi­der­ruf­lich vor­bei (und doch hof­fe ich natür­lich ins­ge­heim, dass es eine Renais­sance wie bei den ehe­mals tot­ge­sag­ten Schall­plat­ten geben könnte).

So wer­den wir uns durch die digi­ta­len Mel­dun­gen kli­cken, schnell kon­su­mie­ren – und mög­li­cher­wei­se ähn­lich schnell ver­ges­sen, weil in den übli­chen Blog-For­ma­ten der weni­gen Pétan­que-Web­sites neue Nach­rich­ten unab­läs­sig von oben nach­drän­gen. Dadurch wer­den älte­re Mel­dun­gen nach unten durch­ge­reicht und weni­ger sicht­bar. Wenn dann noch eine Such­funk­ti­on fehlt wie bei ptank.de, nut­zen nach einer gewis­sen Zeit auch die bes­ten Bei­trä­ge nur wenig: Sie ver­sin­ken in der Masse.

Damit man dage­gen zumin­dest teil­wei­se etwas tun kann (Stich­wort: Maga­zin­stil), sind neue Kon­zep­te und erwei­ter­te Kennt­nis­se erfor­der­lich. Kei­ne der hier betrach­te­ten Web­sites leis­tet das heu­te. Wie fatal sich eine unkon­trol­lier­te, rie­si­ge Men­ge an Bei­trä­gen auf den Infor­ma­ti­ons­wert eines Web­auf­tritts aus­wir­ken kann, zeigt das media­le Flagg­schiff unse­res Pétan­que-Kos­mos: die Web­site des DPV.

Die Geschich­te um den Auf­stiegs­skan­dal und die kru­de Argu­men­ta­ti­on des DPV dazu sind heu­te doch schon so gut wie ver­ges­sen, oder? Und das ist ganz sicher im Sin­ne des Bundesverbands.

Ver­bands­zeugs

So ist unse­re Pétan­que-Welt also seit vie­len Jah­ren digi­tal. Aus­schließ­lich digi­tal. Natür­lich gilt das auch für den Bun­des­ver­band DPV, der in der ana­lo­gen Zeit über­haupt kein eige­nes Ange­bot hat­te, aber irgend­wann dann doch mal online ging. Das war wohl im Jahr 2003.12 Seit­dem sind 22 Jah­re ver­gan­gen – das ist viel Zeit.

Was hat sich seit­dem ver­bes­sert? Ich mei­ne damit: Wel­chen Mehr­wert bie­tet die heu­ti­ge Web­site des DPV gegen­über der schlich­ten, spar­sa­men Ver­si­on von vor 20 Jah­ren? Ich fin­de: Ver­dammt wenig, wenn ich berück­sich­ti­ge, wie die digi­ta­le Welt sich seit­dem ent­wi­ckelt hat. Wor­an liegt das?

Abge­se­hen von den zumeist dürf­ti­gen Inhal­ten: Wenn ich sehe, mit wie wenig tech­ni­schem Sach­ver­stand der DPV heu­te sei­nen Online-Auf­tritt bestückt, wie erbärm­lich vie­le Berich­te prä­sen­tiert wer­den, dann zeigt sich sogar zu den meis­ten Aus­ga­ben der gedruck­ten Maga­zi­ne von vor 30 Jah­ren ein ent­schei­den­der Unter­schied: Damals beherrsch­ten die Her­aus­ge­ber das Handwerk.

Soli­des Hand­werk ist eine Grund­vor­aus­set­zung auch für gutes digi­ta­les Publi­zie­ren. Das ist jedoch heu­te im Bereich der Kom­mu­ni­ka­ti­on beim Bun­des­ver­band so sel­ten wie ein Biber­on auf 21 m.

Dabei rühmt sich der DPV, ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Team zu haben. Man tagt in einem extra gegrün­de­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Aus­schuss – der das offen­sicht­lich unge­lieb­te Kind „Web­site“ jedoch lie­ber ein­ge­sperrt in einem Schrank vol­ler Spinn­we­ben unter der Trep­pe ver­steckt. Dabei soll­te die Web­site des DPV das Aus­hän­ge­schild unse­res Sports sein. Sie ist es nicht, denn es küm­mert sich nie­mand darum.

Statt des­sen bedient man offen­bar lie­ber nicht-inklu­si­ve Kanä­le wie Face­book und Whats­App. Ver­sagt man sich als Spie­le­rIn den dahin­ter ste­hen­den, daten­hung­ri­gen Unter­neh­men – wofür es gute Grün­de gibt – dann ist man außen vor. Nicht zu ver­ges­sen: You­tube! Wer nur aus­rei­chend mit sei­nem Smart­phone her­um­wa­ckeln kann, wird hier gar zum „Broad­cas­ter“. Am bes­ten noch im Hochformat!

Ich kann mir aber gut vor­stel­len, dass es für man­che beim DPV span­nen­der ist, in der Funk­ti­on eines außer Rand und Band gera­te­nen Live-Kom­men­ta­tors bei einer Welt­meis­ter­schaft vol­ler Emo­tio­nen in ein schlecht aus­ge­teu­er­tes Mikro­fon zu brül­len, als sich mit redak­tio­nel­ler Arbeit in einem Web­pro­jekt abzumühen.

So sah die DPV-Website im Jahr 2003 aus: aufgeräumter als heute.

DPV-Web­site (2003)

Der DPV kämpft seit vie­len Jah­ren erkenn­bar mit den Tücken der Digi­ta­li­sie­rung. Ein Kon­zept ist nicht erkenn­bar, ver­mut­lich gibt es keins. Auf Nach­fra­ge wird geschwie­gen. Noch nicht mal ein ein­fa­ches Ange­bot wie einen digi­ta­len News­let­ter hat man beim DPV eta­blie­ren kön­nen. Mehr­ma­li­ge Ver­su­che (200613 und 201614) schei­ter­ten. Wor­an eigent­lich? Und war­um gibt’s heu­te immer noch ein Anmel­de­for­mu­lar15 für den nicht exis­tie­ren­den Newsletter?

Das gan­ze Elend der Digi­ta­li­sie­rung beim DPV wird durch des­sen Web­site auf­ge­zeigt: Sie ist lieb­los und hand­werk­lich weit­ge­hend ohne Kennt­nis­se gestal­tet. Typo­gra­phie und Satz sind teils chao­tisch, das Con­tent Manage­ment Sys­tem wird ersicht­lich nicht beherrscht. Manch­mal feh­len Inhal­te (Bil­der), manch­mal ste­hen irgend­wel­che tech­ni­schen Short­codes mit­ten in den Tex­ten.16

Ich rede hier nicht von Flüch­tig­keits­feh­lern, die immer mal vor­kom­men kön­nen, son­dern von struk­tu­rel­lem Ver­sa­gen. Es ist offen­sicht­lich: Da hat man die Kon­trol­le ver­lo­ren. Das ist eines Ver­bands die­ser Grö­ße, der pro Jahr hun­dert­tau­sen­de von Euro umsetzt, unwürdig.

Für die Web­site des DPV kann fest­ge­stellt wer­den: Der Ver­band hat die Tech­nik nicht im Griff. Er hat kein digi­ta­les Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kon­zept. Er erfüllt die von ihm selbst in die Sat­zung geschrie­be­ne Anfor­de­rung nicht, den „deut­schen Pétan­que-Sport in Staat, Gesell­schaft und den Medi­en“ zu vertreten.

Ehren­amt!

Genau an die­ser Stel­le kommt immer jemand um die Ecke, die oder der das Tot­schlag­ar­gu­ment des Ehren­amts auf­bringt. Man kön­ne ja wohl kei­ne pro­fes­sio­nel­le Arbeit von jeman­dem erwar­ten, die oder der sich unbe­zahlt und ledig­lich im Rah­men eines Hob­bys ein­bringt. Feh­ler wür­den zudem über­all gemacht.

Offen­bar wird es viel­fach bil­li­gend in Kauf genom­men, wenn die Füh­rung unse­res Ver­bands in den Hän­den von Leu­ten liegt, die Pro­ble­me in ihrer Orga­ni­sa­ti­on mit dem Ehren­amt erklä­ren. Ehren­amt bedeu­tet aller­dings nicht, ohne Kon­zept und ohne fach­li­che Kennt­nis­se zu arbei­ten. Ehren­amt bedeu­tet, dass man Arbeit ohne Bezah­lung leis­tet – nicht, dass man Auf­ga­ben schlecht oder gar nicht erledigt.

Manch­mal habe ich den Ver­dacht, dass mit dem Hin­weis auf das Ehren­amt die Füh­rungs­rie­ge ihre eige­ne Inkom­pe­tenz gleich mit rela­ti­vie­ren will.

2006: DPV-Newsletter „zum runter laden, ausdrucken und weitergeben“

2006: geschei­ter­ter DPV-Newsletter

2016: erneuter Versuch eines DPV-Newsletters – anfordern und ausdrucken statt automatischer Versand

2016: geschei­ter­ter DPV-Newsletter

2025 immer noch online: Anmeldeformular für nicht existierenden Newsletter

2025: Gleich anmel­den – funk­tio­niert aber nicht.

Die Dou­blet­te-Part­ne­rin

Meine Dou­blet­te-Part­ne­rin schau­te mich ungläu­big an, als ich ihr im Gespräch über die­ses Edi­to­ri­al eini­ge Details erzähl­te. Sie ist erst seit zir­ka zwei Jah­ren eine begeis­ter­te Pétanque-Spielerin.

Dass mehr als 25.000 Spieler­Innen in einem der­art mise­ra­bel gema­nag­ten Bun­des­ver­band orga­ni­siert sind, konn­te sie kaum glau­ben. „Wie­so ist in all den Jah­ren – in all den Jahr­zehn­ten! – kei­ne rele­van­te Bes­se­rung ein­ge­tre­ten?“ frag­te sie mich stau­nend. Und da sie mei­ne Pas­si­on für den Pétan­que-Sport eben­so kennt wie mein frü­he­res Enga­ge­ment in die­sem Bereich, frag­te sie gleich wei­ter, wie ich das alles ertra­gen könne.

Nun, war­um unser Pétan­que-Sport heu­te so wenig sicht­bar ist, das konn­te ich ihr nicht schlüs­sig erklä­ren. Wir Men­schen glau­ben ger­ne an das Gute – und haben des­halb viel­leicht gehofft, dass es im Lau­fe der vie­len Jah­re irgend­wie von selbst zu klar erkenn­ba­ren Ver­bes­se­run­gen in der Öffent­lich­keits­wir­kung unse­res Sports kom­men wür­de. Das ist aber ersicht­lich nicht geschehen.

Eines aber konn­te ich ihr zumin­dest zum Teil erklä­ren – und ein leich­tes Lächeln husch­te dabei über ihr Gesicht. Ich erzähl­te ihr, dass ich im „ech­ten“, also im ana­lo­gen Leben, etwas gegen das digi­ta­le Gewursch­tel des DPV set­zen kann: Es sind wun­der­ba­re Stun­den, wenn ich in mei­ner Samm­lung alter Pétan­que-Maga­zi­ne blättere.

Mei­ne Dou­blet­te-Part­ne­rin sah das bis­her ver­mut­lich als tüdeli­ge Marot­te eines mitt­ler­wei­le älte­ren Herrn an. Dabei ist es viel mehr: Therapie!

Frank Jer­mann, Janu­ar 2025


  1. Ange­la Mer­kel ver­wen­de­te den Begriff „Neu­land“ für das Inter­net noch im Jahr 2013. Die Situa­ti­on des Inter­nets in den 1990er Jah­ren wird in einem Arti­kel des Lan­des­me­di­en­zen­trums Baden-Würt­tem­berg beschrie­ben: Lau­te Modems und teu­re Minu­ten­prei­se – Ein Exkurs ins Inter­net der 1990er, zuletzt abge­ru­fen am 15.1.2025. 
  2. In der Regel gab es in der Win­ter­zeit nicht in jedem Monat eine Aus­ga­be. 
  3. Link zu ptank.de 
  4. Mar­co Ripan­ti, DPV (2013): Ulrich Brülls ist neu­er DPV Rang­lis­ten-Beauf­trag­ter, zuletzt abge­ru­fen am 15.1.2025 
  5. Link zu qlaq.de 
  6. Link zu boule4you.de 
  7. Link zu petanque-aktuell.de 
  8. Hei­ke Mar­ten, DPV (2023): Das DPV-Kom­mu­ni­ka­ti­ons­team in neu­er Beset­zung, zuletzt abge­ru­fen am 23.1.2025 
  9. Kopie des offe­nen Briefs von Hein Fuhr­mann 
  10. Hein Fuhr­mann (2023): Wo ist das Pro­blem? – Strea­ming Ver­bot für DPV Ver­an­stal­tun­gen, zuletzt abge­ru­fen am 15.1.2025 
  11. Link zu Boule in Braun­schweig, zuletzt abge­ru­fen am 14.2.2025 
  12. Die frü­hes­te Web­site des DPV, die ich fin­den konn­te, stammt aus dem Jahr 2003. 
  13. Link zur Web­site des DPV: News­let­ter von 2006, zuletzt abge­ru­fen am 15.1.2025 
  14. Link zur Web­site des DPV: News­let­ter von 2016, zuletzt abge­ru­fen am 15.1.2025 
  15. Link zur Web­site des DPV: Anmel­de­for­mu­lar für nicht exis­tie­ren­den News­let­ter von 2019, zuletzt abge­ru­fen am 15.1.2025 
  16. Bei­spiel: sie­he Screen­shots der News­let­ter von 2006 und 2016 
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