W as ist anstrengender: Eine Auswahl von Roms Sehenswürdigkeiten zu besichtigen oder sich in der italienischen Hauptstadt die Pétanque-Weltmeisterschaft 2025 anzuschauen? Die Antwort ist eindeutig: Die WM. Sie war viel zu umfangreich und dazu miserabel organisiert. Trotzdem war das Turnier eine sehenswerte Veranstaltung, anfangs natürlich geprägt von der Vielzahl eher unbekannter SpielerInnen aus vielen Ländern.
Erschöpfend
Während in der Stadt an vielen Ecken kühles und trinkbares Wasser aus den Brunnen sprudelt, einfache Bars leckere Tramezzini gegen den kleinen Hunger anbieten und man in den Schatten ausweichen kann, waren bei der Pétanque-Veranstaltung lauwarmes Wasser aus Plastikkanistern, Tüten mit Chips und kaum Schutz vor der prallen Sonne im Angebot.
Wenn dann abends endlich ein leicht laueres Lüftchen dem heißen Park der Villa Borghese etwas Abkühlung bescherte, und ich dachte, dass nun etwas Entspannung einkehren könnte – sprangen diverse wummernde Dieselmotoren mobiler Lichtmasten an.
Die Verantwortlichen leisteten konsequente Arbeit: Hatten sie schon organisatorisch nichts für ein positives Image unseres Sports getan, so standen sie dem auch unter Umweltaspekten in nichts nach. Für die SpielerInnen war es eine Zumutung, ihre abendlichen Partien bei Lärm und mit Abgasen zu absolvieren. Dazu kamen schlecht präparierte Plätze mit sandigem, weichem Boden. Sie wurden von vielen als zu anspruchslos und als einer WM unwürdig bezeichnet.
„Die schlechteste Weltmeisterschaft, die jemals stattgefunden hat“, dieser Satz war von TeilnehmerInnen immer wieder zu hören.
Dass der italienische Verband FIB1 völlig überfordert war, eine solche WM angemessen zu veranstalten, konnten alle Anwesenden miterleben. Hauptverantwortlich dafür war allerdings der internationale Verband F.I.P.J.P., der nicht in der Lage war, die im Regelwerk vorgesehene Kontrolle auszuüben.2
Geh ins Internet!
Die leibliche Versorgung für BesucherInnen des Turniers war eine Zumutung. Aber auch für den kleinen Informationshunger zwischendurch war die WM in Rom kein guter Ort. Es spielten zwar einige Stars, die man kennen konnte – aber wie hießen beispielsweise die international weniger bekannten Damen von Italien 2? Bei den richtigen ExotInnen war mit meiner Kenntnis auf jeden Fall Schluss.
Nicht mal für uns anwesende JournalistenInnen gab’s ein Informationspaket. In der extra eingerichteten Media Area herrschte völlige Ahnungslosigkeit. Ich wurde zum Table de Contrôle geschickt. Dort verwies mich ein Offizieller schlicht und harsch auf „das Internet“. Zitat eines italienischen Offiziellen: „Ausdrucke sind von gestern.“ Besser hätte gepasst: „Wir haben vergessen, ausreichend Informationen bereitzustellen. Jetzt nerv nicht rum, sondern such dir selbst was zusammen.“
Wer aus Erfahrung vermutet, dass „im Internet“ kaum etwas Brauchbares zu finden war, liegt richtig. Die Informationen auf der Website der F.I.P.J.P. waren gewohnt dürftig und nicht im Ansatz ausreichend. Was der italienische Verband anbot, war ein liebloses Sammelsurium von – irgendwas. Die Liste der TeilnehmerInnen ist bis heute nicht vollständig.3 Die beteiligten Verbände folgten der bekannten Tradition mangelhafter Information.
Auf erneute Nachfrage am Kontrolltisch kam dann der Verweis auf zwei WhatsApp-Gruppen – von denen eine nicht erreichbar war und die andere ein Passwort benötigte. Ob man im italienischen Verband schon mal etwas von barrierefreiem Zugang gehört hat?4
So blieben SpielerInnen ohne Namenszug auf dem Trikot – und das war die Mehrheit – für ZuschauerInnen anonym.
Auf jeden Fall war es von Vorteil, sich ein wenig in der Weltordnung auszukennen: Taiwan, auch als Republik China bezeichnet, war das Team, das sich hinter Chinese Taipei verbarg.5 6
Team Deutsches Berlin
Man musste also schon in seiner politischen Allgemeinbildungskiste kramen, um das mit den beiden Chinas einzuordnen. Vermutlich hätte der unfreundliche italienische Offizielle gesagt: „Geh ins Internet.“ Dort hätte man dann herausfinden können, dass Taipei die Hauptstadt Taiwans ist.
Chinese Taipei – für das deutsche Team wäre das so, als wenn es unter der Bezeichnung Deutsches Berlin aufgelaufen wäre.
Die anderen chinesischen Spielerinnen, die aus der Volksrepublik China,7 fielen anfangs vor allem durch ihre Vermummung auf. Trotz der Hitze waren sie mit langen Hosen, langärmeligen Hemden und Gesichtsschutz auf den Plätzen. Das war durchaus ein ungewohnter, ja exotischer Anblick.
In den jeweils 250 Spielen an den ersten beiden Tagen verlor ich den Weg der fernöstlichen SpielerInnen dann aus den Augen.
Nur nachträglich konnte ich schauen, ob es eine Begegnung zwischen den beiden chinesischen Staaten gegeben hatte. Bedauerlicherweise hat eine solche Partie nicht stattgefunden.
Krisenherde
In diesem Zusammenhang fallen natürlich sofort andere Krisenherde dieser Erde ein – zumindest die offensichtlichen. Russland und Belarus sind vom internationalen Verband gesperrt. Die Ukraine8 nahm in Rom teil.
Auch der Iran9 war angetreten – was nicht selbstverständlich ist, da auch Israel10 bei der WM dabei war. Eine Begegnung der beiden gegenseitig – zumindest auf Funktionärsebene – nicht gerade freundlich gestimmten Länder wäre gut möglich gewesen.
Solche Situationen hatten in anderen Sportarten immer wieder zu Eklats geführt: Auf Anweisung aus Teheran durften IranerInnen mehrfach nicht gegen israelische SportlerInnen antreten.
Mir blieb das Bild der iranischen Frauen im Gedächtnis, die sich sehr sichtbar mit der thailändischen Doppel-Weltmeisterin über deren Titel im Tête-à-tête freuten und sich im Getümmel nach dem Sieg von Kantaros Chouchuay ein gemeinsames Foto mit ihr nicht nehmen ließen
Zwei Teams
Sicher auch eine politische Komponente – wenn auch nur im weiteren Sinne auf Verbandsebene – ist es, dass das Gastgeberland nach den Statuten des Weltverbands F.I.P.J.P. bei Weltmeisterschaften zwei Teams stellen darf. Es liegt auf der Hand, dass man sich mit dieser Regelung mehr Interesse und ZuschauerInnen für die Veranstaltungen erhofft. Das ging in Rom gründlich schief.
Das Publikum bestand nach meinem Eindruck zu weit mehr als 90 % aus den teilnehmenden Nationen, also den Teams und wenigen mitgereisten Fans. BesucherInnen aus Rom waren nicht ernsthaft sichtbar. Werbung für die Veranstaltung konnte ich im öffentlichen Raum nicht entdecken.
Am frühen Abend des zweiten Tages fanden nebeneinander auf dem Carré d’Honneur zwei hochkarätig besetzte Spiele der vierten Runde im Tête-à-tête der Männer statt: Frankreich gegen Thailand, Italien traf auf Senegal.
Das Publikum war spärlich erschienen. Christophe Sarrios große Entourage war präsenter als die UnterstützerInnen des phantastisch spielenden Diego Rizzi.11
Italien
Die zweite Reihe des italienischen Teams war zwar mit zwei Achtelfinalteilnahmen immer noch erfolgreicher als die deutsche Mannschaft,12 spielte aber insgesamt zu schwach, um ein positives Bild zu hinterlassen.
Hängengeblieben ist bei mir das Bild der Ergebnistafeln, die öfter ExotInnen in teils deutlicher Führung zeigten, wenn es gegen Italien ging. So konnte das tschechische Damen-Doublette einen deutlichen Sieg gegen Italien 2 verbuchen – es sollte ihr einziger bleiben. Während Italien 1 weitgehend respektabel und mit Rizzi gar weltmeisterlich abschnitt, waren die zweiten Mannschaften durchaus als Totalausfall zu bezeichnen.
Dabei spielte mit Andrea Chiapello ein Weltklassespieler im Tête-à-tête und Doublette. Im Einzel reichte es für ihn mit Platz 17 knapp nicht für das Achtelfinale, im Doppel war dann genau dort gegen Luxemburg recht deutlich Schluss. Das war zu wenig für einen Weltklassemann, der aber in seinem Partner Davide Laforè nur selten eine Stütze fand. Die Körpersprache der beiden entsprach nicht höheren Ansprüchen.
Hat’s geholfen?
Außerhalb des Geländes der WM habe ich während meiner sieben Tage in Rom drei Fotos gemacht. Dieses hier gehört dazu. Die Geschichte dazu ist schnell erzählt: Da das Versorgungsangebot mit Speisen bei der Veranstaltung armselig war – man bedenke: Wir waren in Italien! – zogen es die Doublette-Partnerin und ich vor, zur Mittagszeit in einer Bar im angrenzenden Stadtviertel eine kleine Mahlzeit zu uns zu nehmen.
Am ersten Tag setzte sich ein Spieler an den Nebentisch. Sein Kollege gesellte sich kurze Zeit später dazu. Man bestellte zwei Biere. Große Biere. In der Mittagshitze! Nun, die beiden hatten ihr erstes Doublette zu 7 verloren.
Ob’s geholfen hat? Eher nicht: Das Tête-à-tête wurde eine Stunde später fanny verloren. In der Mixte-Partie mit dem anderen Bierseligen – zweieinhalb Stunden später – wurde immerhin ein Punkt erzielt.
Zusammen konnten die Kerle dann aber immerhin das zweite Männer-Doublette gewinnen: Gegen den Libanon spielten sie zu Null. Das war allerdings erst fünf Stunden später. Ob der Pegel bis dahin aufgefüllt wurde, ist mir nicht bekannt.
Schlaglichter
Natürlich gab es bei 49 teilnehmenden Ländern und 50 Teams noch wesentlich mehr unter dem Stichwort „ExotInnen“ zu entdecken. Zu den sieben kurzen Geschichten gibt’s deshalb noch sieben Fotos extra. Die Namen zu den Gesichtern sind mühsam recherchiert – soweit überhaupt möglich.
Burkina Faso: namenlose WM-Teilnehmerin
Der 33. Rang im Doublette war die Platzierung direkt hinter den deutschen Damen. Im Tête-à-tête lagen die Afrikanerinnen (22.) gar neun Plätze vor Allemagne.
Iran: namenlose WM-Teilnehmerin
Die Spielerin blieb im Tête-à-tête erfolglos, erreichte aber im Doublette mit zwei Siegen Platz 24. Acht Plätze vor dem DPV-Team …
Mexiko: namenlose WM-Teilnehmerin
Im Einzel reichte es nur zu Position 41 – das war sicher eher erwartet als Platz 20 im Damen-Doublette. Respekt!
Australien: Selina Dally
Zwei Welten: Die Spielerin hat nur Augen für den Wurf – die Dame mit dem luftigem Kleid und dem Sonnenschirm keine für das Spiel. Der Stil der Passantin fiel sicher in die Kategorie „exotisch“.
Australien: patriotischer Strumpf
Wenn die Trägerin dieses Strumpfs – Selina Dally – im Achtelfinale 13:8 gegen Frankreich verliert, zählt sie dann noch zu den Exotinnen? Auch im Doublette war der 19. Platz für Down Under achtbar.
Schottland: Elaine Crombie
Mit dem 39. Platz im Tête-à-tête und dem 45. im Doublette schnitten schottischen die Damen recht schwach ab. Die Technik der Spielerin Elaine Crombie mutete für eine Weltmeisterschaft exotisch an.
Italien: Beach Bocce gab’s nebenan
Im Rahmen der Veranstaltung des italienischen Verbands fand auch ein nationales Finale im „Beach Bocce“ statt. Dort war der weiche Boden passend.
- Federazione Italiana Bocce ↩
- Die Gründe für die diversen Missstände während der WM in Rom sind selbstverständlich in der schlampigen Vorbereitung durch den italienischen Verbands (FIB) zu finden. Auf dem Gelände herrschte am Vortag der Eröffnung so etwas wie gereizte Panik. (Eine immerhin freundliche Dame vom italienischen Verband erklärte mir, dass man dem Zeitplan hinterher hinge.) Allerdings hätte die FIB vom internationalen Verband kontrolliert werden müssen. Hierzu gibt es im Regelwerk des Weltverbands F.I.P.J.P. zwei eindeutige Passagen. Dort wird das Verhältnis zwischen Weltverband und örtlichem Veranstalter geregelt. Daraus ergibt sich ohne Zweifel, dass der internationale Verband F.I.P.J.P. seinen bestehenden Kontrollpflichten nicht oder nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sein kann. (siehe: Rules for World Pétanque Championships, Artikel 2, Absatz 2; Artikel 3; Version vom 11. November 2021) ↩
- In der Liste der teilnehmenden Länder mit der Überschrift „that’s the name of the delegations – COMING SOON“, die am 10. September 2025 online gestellt wurde, fehlen die Namen der deutschen Delegation vollständig. Es kann nicht davon ausgegangenwerden, dass der DPV die Namen nicht gemeldet hat. Benin durfte zwar nicht teilnehmen, steht aber mit drei SpielerInnen (dazu sieben Begleitpersonen) auf der Seite. Für den Congo sind ebenfalls zehn Personen aufgeführt, niemand aus dem Land spielte jedoch. Madagaskar schickte der Liste nach nur einen Head of Delegation, aber keine SpielerInnen. Dagegen hatten Australien, Italien, Palau und Polen zwar SpielerInnen, aber keinen Head of Delegation. Malaysia blieb dem Turnier angeblich ganz fern, ebenso Spanien. Mexikos Team hatte alle Nachnamen daheim vergessen. Norwegen durfte als einziges Team sechs SpielerInnen eintragen, verzichtete aber auf die Positionen fünf und sechs. Dass Vor- und Nachnamen teils eher ausgewürfelt wurden und eine zufällige Melange aus Groß- und Kleinschreibung nicht zur Übersichtlichkeit des Dokuments beitrugen, darüber sehe ich hinweg. Beim DPV würde man an dieser Stelle zur Rechtfertigung der mangelhaften Arbeit mit großer Wahrscheinlichkeit die Standarfloskel bemühen: Das machen doch alles nur Ehrenamtliche. ↩
- Tatsächlich erlangte die glücklicherweise zufällig dabeistehende Doublette-Partnerin irgendwie Zugang zu einer der WhatsApp-Gruppen, in der neben Ergebnissen auch diverse organisatorische Details wie Hinweise zu Busfahrten zu den Hotels verbreitetet wurden. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Dinge für BesucherInnen des Turniers gedacht waren. ↩
- Die Bezeichnung Chinese Taipei hat politische Gründe. Geschuldet ist das der „großen“ Volksrepublik China und dem rückgratlosen Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Die Details dieser deprimierenden Geschichte sind auf Wikipedia zusammengefasst. ↩
- Keine Mannschaft aus Taiwan schaffte es in die Achtelfinals. Bestes Team war das Doublette der Damen auf einem 30. Platz. ↩
- Das Damen-Doublette Chinas erreichte immerhin das Viertelfinale, in dem es ein 3:13 gegen Thailand setzte. Im Achtelfinale hatten die Chinesinnen sich gegen die USA zu 2 durchgesetzt. Sie sollen stark gespielt haben, berichtete die US-Vorlegerin. Für das Männer-Doublette war im Achtelfinale ebenfalls mit einen 3:13 gegen Tunesien Schluss. In der vom Veranstalter veröffentlichten Nationenwertung stehen die eher als exotisch einzustufenden SpielerInnen aus China auf dem 13. Platz – und damit vier Plätze vor dem deutschen Team. ↩
- Die beste Platzierung in den fünf Wettbewerben erreichte die Ukraine im Einzel der Männer (Platz 25). ↩
- Das iranische Team erreichte drei Siege in Rom. Das Damen-Doublette schnitt dabei mit zwei Gewinnpartien und Platz 24 intern am besten ab. Das Doublette Mixte belegte den letzten Platz. ↩
- Israel erreichte zweimal das Achtelfinale: Im Doublette der Damen im Einzel der Männer. Dort waren Thailand (1:13) und Italien 1 (5:13) zu stark. Von der Papierform her überraschend war der 9:8‑Sieg des Männer-Doublettes über Italien 2 mit Chiapello und Laforè. ↩
- Christophe Sarrio unterlag Ratchata Khamdee sehr deutlich mit 4:13, Diego Rizzi gewann zu 4 gegen den indisponierten Senegalesen François N’Diaye. Rizzi führte nach vier Aufnahmen mit 10:0, spielte fast über die gesamte Partie hinweg beeindruckende Hochportées aus dem Stand und leistete sich gerade mal einen Fehlschuss. ↩
- Zumindest bei den Damen kann das angetretene deutsche Team allerdings auch nur als „zweite Reihe“ eingestuft werden: Nach dem Rücktritt der deutschen Spitzenspielerinnen Carolin Niermann (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels belegte sie Position 1 in der deutschen Rangliste), Eileen Jenal (2) sowie Anna Lazaridis (7) nominierte der DPV mit Nina Schell (9) und Gina Müller (147) sicher nicht die besten Damen. Dass Bundestrainerin Lara Koch die deutschen Spitzenspielerinnen nicht zur Verfügung standen, hat sie selbst zu verantworten: Ihr mangelhaftes Coaching führte zum Protest und schließlich dem Rücktritt der Spielerinnen. ↩














