Vereinsmeier

über die Freuden des Vereinslebens

Die Büchse der Pandora (Teil I)
Freiburger Antipathien

Datum

13. August 2025

Autor

Frank J.

Wir waren auf dem Rück­weg von Süd­frank­reich. Um an dem Tag noch bis nach Hau­se zu fah­ren, wäre die Etap­pe zu lang gewe­sen. Bei Besan­çon schau­ten die Dou­blet­te-Part­ne­rin und ich uns an. Wir hat­ten den sel­ben Gedan­ken: Frei­burg! In unse­rer Lieb­lings­pen­si­on etwas außer­halb über­nach­ten, am nächs­ten Tag beim phä­no­me­na­len Fisch­stand im Fress­gäss­le zu Mit­tag essen, viel­leicht im Hir­schen in Merz­hau­sen zu Abend, zwi­schen­drin ein paar Kugeln wer­fen – das wäre ein guter Abschluss der Rei­se. Ohne vie­le Wor­te war klar: So woll­ten wir es machen.

Die Büch­se der Pandora

Die Arti­kel­se­rie besteht aktu­ell aus zwei Folgen:

  1. Frei­bur­ger Antipathien
  2. Jac­ques

Zwei wei­te­re Fol­gen sind geplant.

Das mit dem Essen klapp­te her­vor­ra­gend. Das mit dem Boule­spie­len war schwie­ri­ger. Mein Lieb­lings­platz am Alten Wieh­re-Bahn­hof war belegt. Dafür war ich mehr oder weni­ger selbst ver­ant­wort­lich, denn ich hat­te mich in den 90er Jah­ren, als ich noch in Frei­burg leb­te, enga­giert dafür ein­ge­setzt, dass dort ein Bau­ern­markt eta­bliert wur­de.1

Die­sen an sich schon wun­der­ba­ren Treff­punkt gibt’s heu­te immer noch: An „nor­ma­len“ Tagen ist da ein klei­nes Café, man sitzt drau­ßen unter Bäu­men, spürt abends die gespei­cher­te Wär­me der Sand­stei­ne des alten Bahn­hofs­ge­bäu­des – der Ort war immer beson­ders. Und dann ist er eben auch noch ein anspruchs­vol­ler Bouleplatz.

Der klei­ne Markt ist bis heu­te eine Berei­che­rung des Stadt­teils Wieh­re, wor­auf ich nicht wenig stolz bin. Für uns Boule­spie­le­rIn­nen war der Preis, dass wir an den Markt­ta­gen dort kei­ne Kugeln wer­fen konn­ten. Und genau so war’s, als die Dou­blet­te-Part­ne­rin und ich ein wenig spie­len wollten.

Natür­lich kann­te ich den Aus­weich­platz. Weni­ge Schrit­te ent­fernt liegt ein klei­nes Bou­lo­dro­me am Neu­en Wieh­re-Bahn­hof. Frü­her hat­te Mug­ges2 dort eine sei­ner Gast­wirt­schaf­ten. Ein klas­si­sches Bahn­hofs­re­stau­rant, wie man es frü­her häu­fig antraf, heu­te aber fast gar nicht mehr fin­det: Gute Küche, schö­nes Ambi­en­te – und irgend­wie hat­te er es geschafft, auch ein Bou­le­ge­län­de anzulegen.

Als ich am Neu­en Wieh­re-Bahn­hof ankam, war ich über­rascht: Ich kann­te nie­mand. Frem­de Gesich­ter. Nun gut, der Ver­ein, den ich vor mehr als 27 Jah­ren gegrün­det hat­te,3 dürf­te kaum noch Mit­glie­der von damals haben. Aber irgend eine Bewoh­ne­rIn aus der Umge­bung hät­te doch …? Naja, so war es aber nicht. Umge­kehrt ging es den anwe­sen­den Bou­list­Innen eben­so: Selbst­ver­ständ­lich kann­te mich niemand.

Ich pack­te die Kugeln aus und signa­li­sier­te damit Spiel­be­reit­schaft. Das klapp­te und ich durf­te mit­ma­chen. Eini­ge Zeit spä­ter kam die Dou­blet­te-Part­ne­rin dazu. Ihre Art ist in sol­chen Momen­ten eher zurück­hal­tend, fast schüch­tern. Aber auch sie wur­de ange­spro­chen – die ver­bin­den­de Wir­kung des Pétan­que funk­tio­nier­te. So soll es sein.

Da ist noch alles in Ordnung: Freiburger Sympathien (Quelle: The New York Times 1914, Szene aus dem Ballet „Pandoras Box“; Wikimedia Commons)

Was weni­ger klapp­te, das war die Bil­dung ihres Teams. Ich spiel­te neben­an und bekam die Situa­ti­on mit. Eine Spie­le­rin woll­te gera­de gehen, so dass nur noch sie­ben Bou­list­Innen bereit waren. Die Dou­blet­te-Part­ne­rin wies auf einen ein­zel­nen Spie­ler hin, der auf einer Bank saß. „Mit ihm wären wir zu acht.“ Es war unmög­lich nicht zu bemer­ken, wie sich eini­ge Spieler­Innen ver­steif­ten. Eine Ein­hei­mi­sche raun­te – aber ich konn­te es trotz­dem hören: „Die da drü­ben und wir spie­len nicht mit­ein­an­der.“ Die Büch­se der Pan­do­ra4 stand hier offen­sicht­lich bereits län­ger offen.

Irgend­wie fand man dann noch jemand – aller­dings wur­den die lei­se erwähn­ten Grä­ben nicht über­wun­den. Der Mann auf der Bank blieb sit­zen, es wur­de eine ande­re Per­son eingebunden.

Was mag da vor­ge­fal­len sein, dass sol­che Dif­fe­ren­zen ent­ste­hen konn­ten? Wie bit­ter war es, dass da ein Spie­ler aus­ge­grenzt wur­de, der mög­li­cher­wei­se ganz ger­ne noch eine Par­tie gespielt hät­te? Oder ging die Ableh­nung von ihm, von sei­ner Grup­pe aus? Ich spiel­te ja gera­de sel­ber – und konn­te die Details folg­lich nicht ergrün­den. Danach muss­ten wir los – kei­ne Zeit für Fra­gen. Es war­te­ten eine Tisch­re­ser­vie­rung und ein hof­fent­lich gutes Essen im Hir­schen5 auf uns.

Auf der Fahrt nach Merz­hau­sen dach­te ich: Wie gut, dass so etwas bei uns in Bracht­tal nicht mög­lich ist. Damals, im Sep­tem­ber 2024, wuss­te ich noch nicht, wie sehr ich mich irren sollte.


  1. Die Ein­rich­tung des Bau­ern­markts fand zu mei­ner Zeit in der Frei­bur­ger SPD statt. Es war mei­ne ers­te Par­tei­mit­glied­schaft über­haupt. Nach­dem ich Bekannt­schaft mit dem Gemau­schel und den inter­nen Macht­spiel­chen bei den Sozis gemacht hat­te, trat ich dort aus. Rück­bli­ckend muss ich erken­nen, dass es irgend­wie auch herr­lich unter­halt­sam war, die Pro­tek­ti­on völ­lig talent­lo­ser Jung­po­li­ti­ker (es waren damals nur Män­ner) mit­zu­be­kom­men und somit viel über das poli­ti­sche Geschäft zu ler­nen. Auf ähn­li­che Wei­se müs­sen die Dob­rindts, Spahns, Schrö­ders und Al-Wazirs auf­ge­stie­gen sein. Auch wenn die­se klei­ne Lis­te par­tei­po­li­ti­sche Aus­ge­gli­chen­heit anstrebt und ledig­lich exem­pla­risch eini­ge Inha­ber poli­ti­scher Ämter auf­führt, die sehr wahr­schein­lich an ihrer gut erkenn­ba­ren Inkom­pe­tenz schei­ter­ten (und teils trotz­dem noch lukra­ti­ve Kar­rie­ren hin­leg­ten), so muss ich hier aus Grün­den mei­ner poli­ti­schen Ver­ach­tung wenigs­tens noch Klöck­ner und Scheu­er anfü­gen – sozu­sa­gen ein Dop­pel­wumms gegen das ver­lo­ge­ne poli­ti­sche „C“. 
  2. Den Namen „Mug­ges“ ken­nen alle auf­merk­sa­men Leser­Innen aus dem Inter­view mit Micha­el Hor­ni­ckel. 
  3. Die Grün­dung des Ver­eins Spiel­ge­mein­schaft Wieh­re habe ich als kur­ze Epi­so­de im Arti­kel Grou­chos Club ver­ar­bei­tet. 
  4. Eine Erklä­rung des Begriffs „Büch­se der Pan­do­ra“ fin­det sich – natür­lich – auf Wiki­pe­dia. 
  5. Es soll­te ein guter Abend im Hir­schen in Merz­hau­sen wer­den. Ich war aller­dings vor­her nicht ganz sicher, denn vor vie­len Jah­ren herrsch­te dort eine loka­le Schi­cke­ria-Grup­pe von Per­so­nal und Gäs­ten über den Laden. Frem­de – und die konn­ten durch­aus aus dem nahe­ge­le­ge­nen Frei­burg stam­men – wur­den schon mal nicht bedient. Nach all den Jah­ren erwar­te­ten uns nun aller­dings eine freund­lich Atmo­sphä­re und gutes Essen. 
Cochonnet

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Jac­ques

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Teil II der Serie „Die Büch­se der Pan­do­ra“ fin­det in Bracht­tal statt. Natür­lich spiel­te hier jede mit jedem. Eines Tages jedoch öff­ne­te Jac­ques die Büch­se der Pan­do­ra: „Mit Dir spie­le ich nicht mehr!“

Grou­chos Club

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Nie­mand woll­te einen Ver­ein. Nie­mand? Naja, nicht ganz. Der Bür­ger­meis­ter woll­te einen ver­läss­li­chen Ansprech­part­ner. Da Schland ein Land der Ver­ei­ne ist, fiel uns nichts Bes­se­res ein, als einen Ver­ein zu gründen.

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