Boulevard

Geschichten rund ums Pétanque

Schieds­rich­ter

von | Sep. 20, 2023 | Boulevard

Datum

20. September 2023

Autor

Frank J.

Die ers­ten Schieds­rich­ter1 auf deut­schen Boule­plät­zen tauch­ten vor mehr als 30 Jah­ren auf. Sie wur­den damals noch belä­chelt, wenn sie betont wür­de­voll in wei­ßen Socken und San­da­len um ein Ter­rain stol­zier­ten. Heu­te gehö­ren sie wie selbst­ver­ständ­lich zum Bild eines jeden offi­zi­el­len Tur­niers – und das ist gut so. Aller­dings ste­hen sie bei uns doch sehr, zu sehr im Hin­ter­grund. Meist wer­den sie nur von Spie­le­rIn­nen zum Mes­sen geru­fen, wie auf dem Foto zu sehen. Regel­ver­stö­ße las­sen sie erstaun­lich oft ungeahndet.

In Frank­reich dage­gen gibt es eine viel grö­ße­re Prä­senz der gestreif­ten Regel­hü­ter. Der Star unter den „Arbi­t­res“ ist Patrick Gri­gnon, der seit mehr als 40 Jah­ren als Schieds­rich­ter fun­giert. War er frü­her ver­mut­lich nur in Frank­reich bekannt, so kennt man ihn heu­te durch die Fern­seh­über­tra­gun­gen weltweit.

Sein Cha­ris­ma und sei­ne Auto­ri­tät, wenn er mit ver­schränk­ten Armen und unbe­weg­ter Mie­ne neben dem Platz den Stars des Pétan­que auf Fin­ger und Füße schaut, sind immens. Hin­sicht­lich sei­ner Aus­strah­lung kann man ihn als den Pier­lui­gi Col­li­na2 des Pétan­que bezeich­nen – wenn­gleich die Anfor­de­run­gen beim Spiel mit den Stahl­ku­geln anders sind als beim Fußball.

Oran­ge­far­be­ne Karten

Apro­pos Fuß­ball: Auch im Pétan­que wer­den seit Jah­ren Kar­ten ver­teilt. Zur gel­ben (Ver­war­nung) und roten Kar­te (Dis­qua­li­fi­ka­ti­on) kommt hier aber noch eine oran­ge­far­be­ne hin­zu. Wird die­se auf­grund eines wie­der­hol­ten Regel­ver­sto­ßes gezeigt, hat das zur Fol­ge, dass eine Kugel annul­liert wird.

So war es im Jahr 2023 beim welt­größ­ten Tur­nier in Mar­seil­le ein bemer­kens­wer­ter Moment, als Gri­gnon einem der alten Super­stars des Pétan­que, Mar­co Foy­ot, eine Kugel aus der Hand nahm, die die­ser gera­de spie­len woll­te. Foy­ot schau­te ziem­lich beläm­mert aus dem Tri­kot, als er nun eine Boule weni­ger spie­len durfte.

Schied­rich­ter bei Turnieren?

Gemeinsames Messen: Philipp Niermann unterstützt den Schiedsrichter beim Messen.

Schieds­rich­ter bei der DM Mix­te 2023, Tromm

Bei offi­zi­el­len, also von einem Ver­band orga­ni­sier­ten Tur­nier und bei vie­len ande­ren gro­ßen Tur­nie­ren sind geprüf­te Schieds­rich­te­rIn­nen vor Ort. Das ist ein Segen, auch wenn nicht alle belast­bar regel­fest oder gar sou­ve­rän sind. Bei klei­ne­ren Tur­nie­ren wer­den viel zu oft kei­ne Schieds­rich­te­rIn­nen eingesetzt.

Außer­halb von Tur­nie­ren gibt’s Schieds­rich­ter nicht mal ansatz­wei­se. In Zwei­fels­fäl­len eini­gen die Betei­lig­ten sich (hof­fent­lich) ein­ver­nehm­lich auf Pro­blem­lö­sun­gen – aber nicht immer sind alle regel­kun­dig, behar­ren aber auf irgend­wel­chen Mythen, weil die ja schon immer so gehand­habt wur­den. Sol­che Situa­tio­nen kön­nen durch­aus unan­ge­nehm werden.

Regel­kennt­nis­se

Erstaun­lich häu­fig wird man also tat­säch­lich auf erfah­re­ne Kugel­wer­fe­rIn­nen tref­fen, die viel zu wenig Wis­sen über die Pétan­que-Regeln haben. Immer­hin rei­chen die Kennt­nis­se dazu aus, Anfän­ger­Innen zumin­dest grund­sätz­li­che Din­ge über die Leit­li­ni­en des gepfleg­ten Kugel­wer­fens zu erklä­ren, bei­spiels­wei­se wie schwer eine Kugel sein darf, oder was die maxi­ma­le und kür­zes­te zuläs­si­ge Spiel­di­stanz ist.

Wenn die Fra­gen jedoch anspruchs­vol­ler wer­den, ist guter Rat erstaun­lich oft nicht mög­lich: Zu gering sind die Regel­kennt­nis­se. Wenn ein alter Hau­de­gen wie Foy­ot nicht weiß, was pas­siert, wenn man eine bereits gespiel­te Kugel ver­se­hent­lich ver­schiebt und sie zurück­legt, dann ahnt man, dass sol­che Fra­gen von „Nor­mal­bou­len­den“ häu­fig eben­falls nicht beant­wor­tet wer­den können.

Anfän­gern kann man aber eine ans Fuß­ball­spiel ange­lehn­te Weis­heit ver­ra­ten: Ein Spiel kann durch­aus 90 Minu­ten dauern.

Zum Hin­ter­grund

Die­ser Text ent­stand im Rah­men des Pro­jekts „Bou­lo­dro­me Bracht­tal“, des­sen digi­ta­ler Able­ger mitt­ler­wei­le ein­ge­stellt wur­de. Der Grund: In der ana­lo­gen Welt des Pro­jekts gab es zu viel Boule, zu wenig Pétan­que und vor allem kei­nen Bedarf an Bou­le­vard.


  1. Anfangs waren die Schieds­rich­ter alle männ­lich. 
  2. Wer sich nicht für Fuß­ball inter­es­siert, kennt ihn natür­lich nicht: Pier­lui­gi Col­li­na war einer der bes­ten Schieds­rich­ter in die­ser Sport­art. 
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